Wenn die Knochen leichter brechen

Wem oft die Knochen brechen, der ist nicht einfach nur ungeschickt – es kann auch eine seltene Krankheit dahinterstecken. Veronika Lieber, vom Verein Osteogenesis Imperfecta Austria, spricht über die sogenannte „Glasknochenkrankheit“ und wie die Diagnose ihr Leben beeinflusst hat.

 

Veronika Lieber

Veronika Lieber,

Obfrau der Osteogenesis

Imperfecta Austria

Frau Lieber, können Sie unseren LeserInnen kurz erklären, was man unter „Glasknochen“ versteht?


Osteogenesis Imperfecta (OI) ist eine seltene genetische Störung, bei der Knochen oft bei geringen Anlässen oder auch grundlos sehr leicht brechen – ähnlich leicht wie Glas, weshalb OI auch als “Glasknochenkrankheit” bezeichnet wird. Es gibt derzeit sieben bekannte Formen von OI, wobei die Schwere der Erscheinungsformen individuell stark unterschiedlich ist. So kann beispielsweise eine Person nur wenige Knochenbrüche, eine andere Person hingegen hunderte von Knochenbrüchen im Laufe ihres Lebens erleiden.


Wie war es für Sie, als Sie die Diagnose erhalten haben?


Den größten Schock hatten wohl meine Eltern, denn die Diagnose wird bei den meisten OI Formen bereits bei oder vor der Geburt gestellt.

Ich kam mit Oberschenkelbrüchen zur Welt und habe mir im Mutterleib bereits Ober- und Unterschenkel gebrochen, die aber dort wieder verheilt sind. Bis zu meinem 14. Lebensjahr erlitt ich 15 Knochenbrüche, hauptsächlich waren bei mir Oberschenkelknochen betroffen. Als Kleinkind wurden die Brüche mit Streckverband und anschließendem Beckenbeingips versorgt. Im Volksschulalter wurde der Knochenbruch mittels Platten operativ versorgt.

Mittlerweile werden bei Kleinkindern sogenannte Teleskopnägel in die Knochen eingesetzt, dabei wird der mitwachsende Nagel ins Knochenmark geschoben und an beiden Enden befestigt. Diese Operationsmethode wurde bei mir im Alter von 12 Jahren durchgeführt, was dazu führte, dass ich mir seither keinen Oberschenkelknochen mehr gebrochen habe.


Wie hat sich Ihr Alltag verändert?


Da ich mit der Erkrankung seit meiner Geburt lebe, gibt es keinen Zeitpunkt zu dem sich mein Alltag verändert hat. Im Kleinkindalter lernte ich mit ca. zwei Jahren gehen. Kinder mit OI sind meist selbst sehr vorsichtig und gehen gefährlichen Situationen beim Spielen mit anderen aus dem Weg.

Trotzdem habe ich mir einmal in der Volksschule (beim Ballspielen) einen Oberschenkelbruch zugezogen. Die anderen Brüche sind auch sehr unspektakulär entstanden, zum Beispiel während des Fahrens mit dem Tretroller (ohne Sturz), beim Gehen oder spielen. Ich bin kleinwüchsig und 1,32m groß, was mich in meinem Alltag kaum einschränkt. Für mich ist körperliche Betätigung in meinem Rahmen sehr wichtig.

Zur Stärkung der Muskulatur gehe ich regelmäßig Schwimmen, ins medizinische Krafttraining, Radfahren und Nordic Walking.

 

Jahrestreffen
Jahrestreffen des Vereins Osteogenesis Imperfecta Austria

Wie sehen die Behandlungsmöglichkeiten bei OI aus?


Da OI auf veränderte Erbinformationen zurückzuführen ist, gibt es bis heute noch keine Therapie, die Aussicht auf Heilung bietet. Trotzdem gibt es natürlich eine Vielzahl von Therapiemöglichkeiten, die mehr oder weniger erfolgversprechend sind. Physiotherapie (Krankengymnastik), medikamentöse Behandlung und orthopädische Versorgung.


Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?


Eine fachübergreifende Beratung seitens der ÄrztInnen wäre wünschenswert. Da OI sich nicht nur auf die Knochenbrüchigkeit auswirkt, sondern auch Organe (Herz), Sehnen (Überdehnung), Bindegewebe (lockeres), Zähne (Brüchigkeit), Ohren (Hörverlust) und weitere Körperteile betreffen kann, wäre es wünschenswert seitens der Ärzte, dass auch diese Themen berücksichtigt werden.

 

Seitens der Kinderorthopädie gibt es bereits Ambulanzen, welche die Kinder regelmäßig zum Herzultraschall schickt, um die Herzklappe zu beobachten. Viele Eltern fürchten, etwas zu verabsäumen und das Kinder Schäden davontragen, die man mittels präventiver Maßnahme hätte verhindern können. Eine solche fachübergreifende Maßnahme wäre auch bei Erwachsenen wünschenswert.

 

Weitere Informationen finden Sie bei der Selbsthilfe-Webseite: https://glasknochen.at/

 

Autorin: Veronika Lieber
Bilder:  Fotolia | ZVG

Kommentar verfassen Kommentieren abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Drücken Sie Enter, um zu suchen, oder ESC, um zu schließen