Was tun bei ATTR mit Kardiomyopathie?
Während bei der Transthyretin-Amyloidose mit neurologischen Auswirkungen (ATTR-PN) das periphere Nervensystem betroffen ist, kommt es bei der ATTR-CM zu einer Verdickung und Versteifung des Herzmuskels. Wir sprachen daher mit Dr. Nicolas Verheyen, Facharzt an der Abteilung für Kardiologie, über Symptome, Diagnose und Therapie dieser seltenen Erkrankung.
Herr Dr. Verheyen, wie kann man die Erkrankung ATTR-CM kurz zusammenfassen?
Die vererbliche ATTR mit Kardiomyopathie ist wirklich unter den seltenen Krankheiten nochmal sehr rar. Durch eine Mutation im Transthyretin-Gen kommt es zu unterschiedlichen Ausprägungen: einmal mit neurologischen Folgen (ATTR-PN), einmal mit kardiologischen Folgen (ATTR-CM) und dann gibt es auch Mischformen.
Bei der ATTR-CM kommt es zu einer Herzmuskel-Erkrankung, die zu einer voranschreitenden Herzschwäche führt. Durch Ablagerungen auf dem Herzen kommt es zu einer Versteifung, der Herzmuskel verdickt und die Leistung fällt ab.
Wie selten tritt diese Krankheit in Österreich auf?
Hier muss man unterscheiden: die Erkrankung kann vererbt werden, tritt aber auch de novo auf. Die vererbte Form ist sehr selten, gehört damit zu den „ultra-rare diseases“. Die erworbene Form ist deutlich häufiger und tritt vermehrt bei älteren Männern auf. Warum dies so ist, ist bis heute noch unerforscht.
In Österreich sind knapp 20 Familien mit vererbter ATTR bekannt, davon ist etwa die Hälfte von der kardiologischen Ausprägung betroffen. In Graz werden von uns 5 Patienten behandelt, wobei aber nur einer eine schwere Herzmuskelerkrankung hat. Im Vergleich dazu gibt es in Graz knapp 50 Patienten, mit erworbener Transthyretin-Amyloidose.
Welche Symptome deuten auf eine ATTR-CM? Bleibt die Erkrankung häufig unerkannt und wenn ja, warum?
Die Symptome sind einer Herzschwäche sehr ähnlich. Dies bedeutet, dass es oft lange dauert, bis die genaue Erkrankung erkannt wird. Häufig sehen wir also ältere Männer, die über Atemprobleme bei körperlicher Belastung klagen. In manchen Fällen kommt es auch vor, dass die Probleme so akut sind, dass diese Patienten stationär aufgenommen werden. Bei den anschließenden Untersuchungen wird dann erst die Diagnose ATTR-CM gestellt. Häufig haben diese Patienten schon jahrelang unter den Symptomen gelitten.
Daneben gibt es auch weitere unspezifische Symptome wie Müdigkeit, erhöhter Schlafbedarf sowie Bein- und Knöchelödeme. Wenn sich Wasser bereits in der Lunge eingelagert hat, dann ist auch ein Rasseln beim Einatmen zu hören. Dann ist die Erkrankung aber auch bereits fortgeschritten.
Ein für die ATTR-CM typisches Symptom ist eine Schädigung des AV-Knotens durch Amyloidfibrillen. Dies ist aber auf einem EKG erkennbar. Kommt es zu einem kompletten AV-Block, benötigt der Patient dann einen Schrittmacher. Häufig kommt es durch diesen Ablauf zu einer ATTR-CM Diagnose.
Wie erfolgt dann die Diagnose?
Nachdem die Symptome jenen einer Herzschwäche sehr gleichen, ist der erste Verdacht selten eine ATTR-Kardiomyopathie. Das heißt zuerst werden Verkalkungen an den Herzkranzgefäßen überprüft, Entzündungen überprüft und wenn dies ausgeschlossen werden kann, steht oftmals der Verdacht auf eine Amyloidose im Raum. Durch kardiale Bildgebung oder Myokardbiopsie lässt sich die ATTR-CM dann feststellen.
Bei der ATTR-CM gibt es 2 verschiedene Arten (Wildtyp und Hereditär): Warum ist eine Unterscheidung wichtig?
Aktuell gibt es 3 verschiedene Therapien, die bei der Entstehung der Amyloidose eingreifen. Eines kann das Transthyretin stabilisieren, die beiden anderen schaffen es sogar, die Bildung von Transthyretin zu verhindern. Alle drei sind für die vererbbare (hereditäre) Form zugelassen (sofern eine Nervenbeteiligung vorliegt), aber nur eines für die erworbene Form (Wildtyp). Um die richtige Therapie zu erhalten muss man also wissen, an welchem Typ dieser seltenen Krankheit man erkrankt ist.
Wie erfolgen diese Therapien?
Bei der erworbenen Form gibt es nur ein zugelassenes Medikament, das in Form von Kapseln oral eingenommen werden kann. Die beiden anderen Medikamente werden per Infusion bzw. per subkutaner Injektion verabreicht.
Wie bewerten Sie die Lebensqualität von ATTR-CM PatientInnen?
Die Erkrankung entsteht ja bis zu 15 Jahre bevor sie diagnostiziert wird. In dieser Zeit entwickeln viele Betroffene bereits gravierende Beschwerden. Mit voranschreitender Herzschwäche nimmt die Lebensqualität natürlich dementsprechend ab. Wenn man beispielsweise beim Treppensteigen schon nach dem ersten Stock eine Pause einlegen muss, weil man keine Luft mehr bekommt ist man schon recht eingeschränkt.
Durch die zugelassenen Therapien ist es allerdings heute möglich, die Erkrankung zu stabilisieren, in manchen Fällen kann der Zustand sogar wieder verbessert werden.
Autor: Stefan Weiss
Bilder: Adobe, ZVG