Wachstumshormonmangel: Klein auf Dauer?
Wenn das in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildete Wachstumshormon nicht ausreichend ausgeschüttet wird, spricht man von einem Wachstumshormonmangel. Es kommt dann zu einem verzögerten Wachstum bei Kindern und Jugendlichen. Wir sprachen daher mit Univ. Prof. Dr. Gabriele Häusler, Leiterin der Ambulanz für Pädiatrische Endokrinologie und Osteologie am AKH Wien, über Ursachen, fehlendes Selbstbewusstsein und Therapiemöglichkeiten
Frau Dr. Häusler, wie kommt es zu einem Wachstumshormonmangel?
Es gibt angeborene Formen des Wachstumhormonmangels, häufig kann man hier radiologisch anatomische Auffälligkeiten finden, wie bspw. Veränderungen an der Hypophyse. Dann sind neben dem Wachstumshormon meist auch weitere Hormone betroffen. Auch genetisch bedingte Formen treten ab Geburt klinisch in Erscheinung. Bei den erworbenen Formen des Wachstumhormonmangels sind häufig Tumore, ob gut- oder bösartig, ursächlich für die Zerstörung der Zellen in der Hypophyse. Das Wachstumshormon kann dann nicht produziert werden. Können beide Formen ausgeschlossen werden, so spricht man vom idiopathischen Wachstumshormonmangel.
Die Ursachen sind also divers. Was ist die häufigste Form?
Am häufigsten ist die idiopathische Form, also wenn keine Ursache gefunden werden kann. Hier wiederum tritt der idiopathisch isolierte Wachstumshormonmangel am häufigsten auf.
Wie kann ein Wachstumshormonmangel festgestellt werden?
Im Zuge einer Abklärung, bei Verdacht auf Wachstumsstörung oder unklarem Kleinwuchs, (Kind wächst unterdurchschnittlich und Screening-Parameter aus der Blutuntersuchung sind vermindert) wird eine weitere biochemische Untersuchung gemacht. Wird in 2 Stimulations-Tests Wachstumshormon zu gering ausgeschüttet, kann eine Diagnose Wachstumshormonmangel gestellt werden. In der Folge wird zur Abklärung der Hypophyse ein MRT durchgeführt.
Steht hinter Kleinwuchs immer ein Mangel an Wachstumshormon?
Inwieweit man von der Norm abweicht, ist nicht ausschließlich auf das Wachstumshormon zurückzuführen. Denn wie groß ein Mensch wird, ist in erster Linie eine genetische Frage. Zudem hat das Wachstumshormon eine sehr komplexe Ausschüttungsphysiologie. Es wird in Impulsen ausgeschüttet, hauptsächlich in der Nacht und damit schwierig in einer einmaligen Blutabnahme zu messen. Aus diesem Grund werden Stimulations-Tests durchgeführt: hierbei kann gemessen werden, ob in einer künstlich erzeugten Situation (z.B. Unterzucker) Hormone ausgeschüttet werden.
Treten neben verzögertem Wachstum weitere Probleme bei Kindern und Jugendlichen mit Wachstumshormonmangel auf?
Wird gar kein oder nur vermindert Wachstumshormon ausgeschüttet, und ist zusätzlich eine Auffälligkeit am Hypophysen-MRT festzustellen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass auch weitere Hormone aus der Hypophyse fehlen. Dies äußert sich z.B. in einer Unterfunktion der Schilddrüse oder Nebenniere oder in einer ausbleibenden Pubertätsentwicklung.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Das Wachstumshormon ist ein Proteinhormon, das im Magen verdaut wird und daher nicht geschluckt werden kann. Es wird dem Körper daher als biosynthetisches Wachstumshormon, das dem körpereigenen ident ist, subkutan zugeführt. Es muss regelmäßig gespritzt werden, kann jedoch von Eltern oder Jugendlichen selbst zuhause verabreicht werden.
Ist Wachstumshormon bei allen Ursachen als Therapie anwendbar?
Ja, die Substitutionstherapie kann bei allen Ursachen beim Wachstumshormonmangel angewendet werden.
Kann damit eine „normale“ Größe erreicht werden?
Mit der Therapie kann jene Größe erreicht werden, die der genetischen Information des Kindes entspricht. Wird dies durch die Substitution erreicht, ist dies auch der letzte Mosaikstein der Bestätigung, dass die Diagnose korrekt war. Natürlich muss mit der Therapie aber zeitgerecht begonnen werden. Ist ein Patient aber bereits in der Pubertät und haben die Sexualhormone zum Schluss der Wachstumsfugen geführt, wird die „normale“ Körpergröße nicht mehr erreicht. Ein echter Wachstumshormonmangel manifestiert sich im Kleinkindesalter. Damit ist genug Zeit eine Therapie einzuleiten um ein Aufholwachstum auf normale Körpergröße zu erreichen.
Was raten Sie Eltern, deren Kinder unterdurchschnittlich groß sind, eventuell auch gehänselt werden?
Wichtig ist hier natürlich eine Abklärung beim Kinderarzt anzufragen. Auch ein nicht-spezialisierter Arzt kann mit Hilfe von Perzentilenkurven und -verläufen bei Kindern eine unterdurchschnittliche Entwicklung feststellen und eine weitere Durchuntersuchung veranlassen. Ein unterdurchschnittliches Wachstum muss aber nicht zwingend mit einem Wachstumshormonmangel zusammenhängen. Sind bspw. die Eltern oder ein Elternteil recht klein, kann das natürlich auch auf das Kind vererbt worden sein. Hier sehe ich eher auch das Thema Aufklärungsarbeit gefordert.
Um selbst zu überprüfen wie sich das eigene Kind entwickelt, haben wir auf der Website www.wachstum.at eine Software zur Verfügung gestellt. Hier können Eltern mit Daten aus dem Mutter-Kind-Pass unkompliziert das Kindes-Wachstum überprüfen und sich zum Thema weiter informieren.
Autor: Stefan Weiss
Bilder: Adobe | ZVG