Versorgung von ADPKD-Patienten in Österreich
Die Zystennieren-Erkrankung, die auch als ADPKD abgekürzt wird, führt häufig zu einer Funktionseinschränkung der Nieren. Welche Informationen PatientInnen benötigen und wie man ein spezialisiertes Zentrum findet, besprachen wir mit Claus Pohnitzer, Obmann der Selbsthilfe Niere, und Eva*, einer ADPKD-Patientin.
Herr Pohnitzer, wie sehen Sie die Versorgungssituation von Nierenerkrankten – insbesondere ADPKD-Patienten – in Österreich?
Glücklicherweise leben wir als Betroffene in Österreich, wo uns Dialysen zur Verfügung stehen, und auch die Aussicht auf eine Organtransplantation sehr gut ist. Allerdings sind die Dialyseplätze zumeist knapp, als Dialysepatient sein Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten oder eine Arbeit zu finden ist schwer. Dabei verlangt eine chronische Erkrankung auch den Angehörigen eine Menge ab und es gibt keine einheitliche Regelung in puncto Behinderungsgrad. Diesen wünschen wir uns nicht, aber von DialysepatientInnen ein „normales“ Leben neben 12 Stunden Dialysebehandlung (plus An- und Abreise) abzuverlangen erscheint in vielen Fällen einfach nicht möglich.
Bei den ZystennierenpatientInnen ist die Sache natürlich noch mindestens eine Stufe komplizierter. Entweder weiß man aufgrund der Vererbung um das Risiko, selbst betroffen sein zu können. Will man dann mit der Diagnose von klein auf leben oder wartet man auf die ersten Symptome? Wie geht man mit dem symptomatisch und zeitlich unterschiedlichen Verlauf der Krankheit um und den einhergehenden Beschwerden. Auch der Druck zu wissen, dass man diese Erkrankung zu einem hohen Prozentsatz vererben wird, bedeutet enormen Stress. Die Behandlung ist aber in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Inzwischen steht ADPKD-Patienten seit 4 Jahren eine neue Therapie zur Verfügung.
Warum ist es ratsam, dass erkrankte Personen spezialisierte Zentren aufsuchen?
Gerade für Betroffene mit ihren Angehörigen ist es wichtig kompetente Unterstützung zu erhalten. Auch wenn es vielleicht nur wenige Möglichkeiten gibt die Erkrankung zu bremsen, muss man umfangreich informiert werden und sich selbst zu einem „Spezialisten der eigenen Erkrankung“ entwickeln. Es geht darum ein möglichst wenig eingeschränktes Leben mit den immer umfangreicher werdenden Symptomen der Erkrankung und auch Folgeerkrankungen leben zu können. Dazu ist einfach die Unterstützung von verschiedenen Fachärzten notwendig. Das fängt bei Schmerzen an und geht bis zu Haltungsschäden durch die hohe Gewichtszunahme.
Wie viele Zentren gibt es in Österreich? Und wo?
Eine sehr gute Frage. In Österreich gibt es ca. 60 Dialysestationen. Da sind aber Privatdialysen auch dazugezählt und somit bleiben ca. 40 nephrologische Zentren. Es wäre schön, wenn alle diese Zentren auch adäquates Wissen zur Behandlung von ADPKD aufweisen würden. Dies ist leider nicht der Fall, wir sprechen noch von einer überschaubaren auf ADPKD spezialisierte Gruppe von Ärzten in ganz Österreich.
Allerdings hat sich das Wissen um ADPKD in den letzten 4 Jahren deutlich verbessert und es sind spezialisierte Zentren dazugekommen und auch die Vernetzung innerhalb Österreichs hat sich deutlich verbessert. Wir sind gerade dabei auf einer neuen Website eine Österreichkarte mit Spezialisten zu erstellen.
Wir erhoffen uns, dass diese Karte ein Ansporn für Zentren sein wird, nicht ein leerer Fleck auf der Landkarte zu sein. Damit wollen wir die Zahl der Ansprechpartner erhöhen und die Wege für Betroffene vermindern.
Welche Informationen benötigen PatientInnen bzw. mit welchen Fragen werden Sie häufig konfrontiert?
So „selten“ die Erkrankung auftritt, so verhältnismäßig geringer fallen die Anfragen aus. ADPKD Patienten treten dann ja häufig als Familie auf, wenn ein Elternteil bereits betroffen ist. Da geht es dann häufig darum, wie man mit der potentiellen oder realen Krankheit des Kindes umgehen soll.
Natürlich geht es um Fragen, wie man das Leben psychisch meistern kann oder um die finanzielle Situation, die sich krankheitsbedingt womöglich drastisch verschlechtert. Wir teilen unsere Erfahrung natürlich gerne. Das persönliche Gespräch mit Betroffenen, die möglicherweise auch schon das Gleiche durchgemacht haben beruhigt in vielen Fällen oder hilft die eigene Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten – einer Positiveren.
Eva (*Name geändert): Sie sind selbst ADPKD-Patientin. Welche Informationen waren Ihnen nach der Diagnose wichtig?
In unserem Fall liegt die Erkrankung in der Familie. Somit war es keine große Überraschung für mich bzw. wurde ich mit dem Wissen groß. In dieser Zeit gab es natürlich auch viel Unsinn, der kursierte und Halbwissen bzw. Hoffnungsschimmer für eine wirksame Behandlungsmethode. Somit waren es weniger die Informationen direkt nach der Diagnose, als mehr die Begleitung während des Verlaufs der Krankheit, die für mich von ärztlicher Seite wichtig war.
Auf die Selbsthilfe bin ich viel später gestoßen und ich bin sicher, dass Vieles für mich einfacher zu verstehen gewesen wäre, wenn ich den Kontakt zu gleichaltrigen Betroffenen halten hätte können, meine Erfahrungen auszutauschen.
Eva: Haben Sie ein Zentrum aufgesucht, um umfassend beraten und betreut zu werden?
(lacht) Ich habe nicht nur ein Zentrum aufgesucht, aber seit meiner Erstdiagnose sind es jetzt auch schon mehrere Jahrzehnte. Ich will da niemandem einen Vorwurf machen, aber aus heutiger Sicht müssen Nephrologen einfach Zystennieren behandeln können oder sofort wissen, wo sie einen Spezialisten empfehlen können.
Eva: Wie sehen Ihre Lebensumstände heute aus? Besuchen Sie für die Therapie eines der spezialisierten Zentren?
Im Laufe der Erkrankung sind meine zystischen Nieren auf ein Vielfaches der Normalgröße angewachsen, ich würde sogar sagen gewuchert. In den letzten Jahren vor der Transplantation wurde mir nicht nur einmal ein Sitzplatz in der Bahn angeboten, weil ich für schwanger angesehen wurde.
Was für ein Glück, dass ich eine Frau bin, da musste ich mich eigentlich nicht erklären. Aber im Ernst: das war eine unangenehme Zeit, das schränkt einen schon sehr ein und die Nierenleistung war dementsprechend vermindert. Ich war laufend bei Kontrollen in einer Nierenambulanz.
Herr Pohnitzer, mit Ihrer Arbeit bei der Selbsthilfe Niere tragen Sie viel zum Thema Aufklärung bei. Wo sehen Sie noch Verbesserungspotential was Information für Betroffene und Angehörige angeht?
Was mir in vielen Fällen sehr fehlt ist eine Schnittstelle zwischen den behandelnden Zentren, den Ambulanzen in denen Betroffene erstmals von der Erkrankung erfahren, und Selbsthilfegruppen wie Selbsthilfe Niere. In allen Bundesländern gibt es aktive Gruppen, die sich austauschen und versuchen, den Betroffenen und Angehörigen Ansprechstelle und Unterstützung zu sein.
Als Selbsthilfegruppe zu arbeiten bedeutet ehrenamtlich zu arbeiten. In der heutigen Lebenswirklichkeit hat sich das Konzept von vor 20 oder 30 Jahren massiv verändert. Wir benötigen eine Professionalisierung in der Selbsthilfe. Gruppen benötigen einen stärkeren finanziellen Hintergrund, Unterstützung um Mitarbeiter bezahlen zu können, um für die Mitglieder aktiv zu sein, Informationen einzuholen, Veranstaltungen zu organisieren. Das ist die Erwartungshaltung der „Kunden“ von heute.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Selbsthilfe Niere.
Autor: Claus Pohnitzer | Lukas Winter
Bilder: Adobe Stock | Dominik Duhs
Zystennieren-Erkrankung ADPKD: