Therapie beim Hereditären Angioödem
Das Hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene Erkrankung, die sich durch spontane Schwellungen der Haut am ganzen Körper bemerkbar machen kann. Wir sprachen mit Dr. Michaela Wiednig, Klinische Abt. für Umweltdermatologie u. Venerologie der Universitätsklink Graz, über Therapiemöglichkeiten und Lebensqualität für PatientInnen.
Was bedeutet die Diagnose „Hereditäres Angioödem“? Was ist das für eine Erkrankung?
Die Erkrankung, abgekürzt als HAE, ist eine vererbbare Krankheit, die ein Leben lang besteht, also aktuell noch nicht heilbar ist. Es fehlt ein wichtiges Protein im Körper, bzw. wird fehlerhaft gebildet (C1-Inhibitor Esterase). Sie manifestiert sich durch schmerzhafte Schwellungen an der Haut oder Schleimhaut. Jeder Körperteil kann betroffen sein. Sehr schmerzhaft sind Schwellugen im Magen-Darm-Bereich. Lebensbedrohlich können Schwellungen im Hals verlaufen! Bei Patienten kann eine solche schmerzhafte Attacke spontan auftreten, die Erkrankung ist also sehr unvorhersehbar.
Wie viele Menschen sind in Österreich davon betroffen?
Es ist ca. 1 Mensch von 50.000 betroffen. Derzeit sind in Österreich ca. 150 Patienten bekannt, wobei es sicherlich noch einige gibt, die nicht diagnostiziert sind. Bei bis zu 90% aller Patienten traten Symptome bereit vor dem 10. Lebensjahr auf.
Gibt es klassische Symptome?
Die Symptome sind sehr diffus. Es treten u.a. Schwellungen der Haut auf, also z.B. an der Hand, im Gesicht, an den Extremitäten. Daneben können kolikartige Magen-Darm-Beschwerden auftreten, ähnlich einem Blinddarmdurchbruch, auch Kreislaufbeschwerden sind möglich. Im schlimmsten Fall treten Schwellungen im Halsbereich auf, diese können lebensbedrohend sein. Die Symptome sind also sehr unterschiedlich und die Schwellungen treten auch während einer Attacke bei einem Patienten an verschiedenen Stellen auf.
Wann sollte man an die Möglichkeit einer HAE-Erkrankung denken?
Wenn in der Familie schon einmal Fälle aufgetreten sind, wenn Attacken immer wieder auftreten, wenn einzelne Attacken 3-5 Tage dauern und übliche Medikamente (z.B. Antihistaminika) bei Schwellungen nicht helfen, dann sollte man an die Möglichkeit eines HAE denken.
Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Bei der Blutanalyse werden zwei Parameter analysiert: einmal der „C1-Inhibitor funktionell“ und der „Komplementfaktor C4“. Aus diesen zwei Blutwerten lässt sich erkennen, ob ein Angioödem vorliegt. Einige wenige, sehr seltene Formen können nur mittels Genanalyse diagnostiziert werden.
Gibt es bereits Therapien?
In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, dass wir alle verfügbaren Therapien unseren Patienten anbieten können. Man kann das fehlende/fehlerhafte Protein substituieren oder die Entstehungskaskade blockieren und so die Schwellung verhindern.
Wie funktioniert die Therapie?
Das Protein C1-Inhibitor kann aus menschlichem Plasma oder aus Kaninchenmilch gewonnen werden. Diese Präparate werden intravenös verabreicht und so das fehlende/fehlerhafte Protein ersetzt. Bei häufigen Attacken kann eine regelmäßige Gabe notwendig werden. Das heißt der Körper bekommt genau das ersetzt, was ihm fehlt. Wenn die Attacken eher selten sind, dann reicht eine Behandlung im Bedarfsfall aus. Es gibt aber auch Patienten mit sehr häufigen Attacken, bei denen greifen wir dann auf eine Prophylaxe zurück. Dazu gibt es weiters ein ganz neues Medikament, einen humanen Antikörper, der kein Blutprodukt ist und die Entstehung der Schwellungen blockiert. Dieses Präparat wird subkutan verabreicht. Für die Akuttherapie gibt es auch ein Medikament zur Blockierung der Schwellungsbildung.
Die meisten Therapien können bereits auch von Patienten selber zuhause verabreicht werden, ein Krankenhaus- oder Arztbesuch ist daher nicht mehr zwingend nötig.
Wie beurteilen Sie die Lebensqualität von Personen mit HAE?
Durch die neuen Medikamente ist die Lebensqualität deutlich verbessert worden. Nachdem die Erkrankung so unvorhersehbar auftritt und die Attacken sehr schmerzvoll sind, gibt es sicherlich noch Verbesserungspotential.
Wo sehen Sie in Österreich Verbesserungspotential für Erkrankte?
Eine schnellere Diagnostik wäre wünschenswert. Dank der umfangreichen Berichterstattung tut sich viel in Österreich und die Zeit bis zur Diagnosestellung wird immer kürzer. Auch die Möglichkeit der subkutanen Medikamentenverabreichung weg von der intravenösen bringt langsam aber sicher einen deutlichen Gewinn von Lebensqualität.
Autorin: Lisa Weber
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