Osteogenesis Imperfecta: Die Glasknochenkrankheit
Viele von uns kennen sie beim Namen, die wenigsten wissen jedoch was dahintersteckt. Wer an der „Glasknochenkrankheit“ leidet hat häufiger Knochenbrüche als andere Menschen. Doch woher kommt die Krankheit? Warum brechen die Knochen? Und wie kann man dagegen vorgehen?

Veronika Lieber,
Obfrau der Osteogenesis
Imperfecta Austria
Was genau versteht man unter dem Begriff „Glasknochenkrankheit“?
Die „Glasknochenkrankheit“ – medizinisch Osteogenesis Imperfecta (OI) genannt, ist eine seltene, genetische Störung, welche dafür sorgt das Knochen sehr leicht brechen – ähnlich wie Glas. Aktuell gibt es sieben Bekannte Formen von OI, wobei diese sich natürlich in der Schwere der Erscheinungsformen individuell stark unterscheiden. Auch die optische Erscheinung der Knochen am Röntgenbild passt zu der Bezeichnung “Glasknochenkrankheit”: Bei OI ist sehr wenig schattengebende Substanz in den Knochen eingelagert, wodurch sich die Strahlentransparenz erhöht.
Die Knochen erscheinen am Röntgenbild oft milchglasartig und dünn. Knochenbrüche gehören leider bei den allermeisten Betroffenen mit dazu. Die Häufigkeit kann stark variieren. Manche brechen sich in ihrem Leben nur zwei Mal einen Knochen, andere zählen mehrere Knochenbrüche im Jahr. Allen Verlaufsformen ist aber eines gemeinsam: Die Knochenfestigkeit nimmt mit dem Alter zu und nach der Pubertät kommt es kaum noch zu Knochenbrüchen. Aus diesem Grund wird hier das Hauptaugenmerk auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gelegt.
Neben den zahlreichen Knochenbrüchen können unter Umständen auch andere körperliche Probleme auftreten. Dies wären etwa Herzprobleme (betreffend die Herzklappe), frühzeitiger Gehörverlust, Zahnprobleme oder auch die weitere Zunahme der Knochenbrüche nach der Menopause (bedingt durch Osteoporose). Einige Betroffene sind auch kleinwüchsig.
Wie wird OI diagnostiziert?
OI wird durch einen genetischen Defekt hervorgerufen, bei der die Produktion von Kollagen Typ 1 im Körper fehlerhaft ist. Dieses Kollagen ist das wichtigste Protein zum Aufbau des Bindegewebes im Körper und kann mit einem Gerüst verglichen werden, um das herum man ein Gebäude errichtet. Bei OI produziert der Betroffene entweder weniger Kollagen als normal oder Kollagen von minderwertiger Qualität – was dazu führt, dass die Knochen spröde sind und leicht brechen.
Oft, aber nicht immer, ist es möglich, OI nur aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes zu diagnostizieren. Gentechnisch können auch biochemische (Kollagen) oder molekulare (DNA) Tests durchgeführt werden, was in manchen Situationen dazu beitragen kann, OI endgültig zu diagnostizieren. Diese Tests nehmen normalerweise einige Wochen in Anspruch, bevor ein Ergebnis feststeht, und bei ca. 10 bis 15 % der Patienten mit schwach ausgeprägter Form von OI, die sich dem Kollagen-Test unterziehen, sowie bei ca. 5 % der Patienten, die sich dem DNA-Test unterziehen, ist das Testergebnis trotzdem negativ, obwohl sie an dieser Krankheit leiden.
Wie sieht die Behandlung bei OI aus?
Physiotherapie und Bewegung
Um stützendes Muskelgewebe aufzubauen und Fehlhaltungen und Skelettveränderungen vorzubeugen, gehört für die meisten Betroffenen Bewegung in Form von regelmäßiger Physiotherapie ganz selbstverständlich mit zur Therapie und ist auch deren wichtigstes Element. Aber auch Sport (besonders Schwimmen), isometrische Übungen oder der Besuch beim Osteopathen können hilfreich sein. Für alle Betroffenen, die auf Hilfsmittel wie z.B. Rollatoren, Gehstöcke oder Rollstühle angewiesen sind, ist es außerdem sehr wichtig, den selbstbestimmten Umgang damit zu erlernen. Auch dies ist Aufgabe der Physiotherapie.
Medikamente
Für OI-Betroffene mit mittleren oder schweren Verlaufsformen hat sich außerdem die medikamentöse Behandlung mit Bisphosphonaten bewährt. Diese wirken zwar nicht gegen die erhöhte Knochenbrüchigkeit, können aber den ebenfalls gestörten Knochenabbau hemmen und so die Knochenfestigkeit verbessern. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen hat sich eine regelmäßige intravenöse Gabe von Bisphosphonaten als besonders erfolgversprechend erwiesen. Die Häufigkeit von Knochenbrüchen nimmt ebenso ab wie das Auftreten von Knochenschmerzen. Dies wiederum führt zu einer deutlichen Erhöhung der Mobilität.
Chirurgische/orthopädische Versorgung
Bei Knochenbrüchen können diese in aller Regel konservativ, das heißt mit einem Gips versorgt werden. Da eine solche Ruhigstellung aber immer zum Abbau von Muskel- und Knochenmasse führt, sollte ein Gips nie länger als wirklich nötig getragen werden. Die Bruchheilung ist bei Kindern mit OI nicht eingeschränkt und dauert nicht länger als bei Kindern ohne OI. Eltern sollten aber darauf achten, dass Knochenbrüche mit möglichst leichten Materialien geschient werden.
Bei komplizierten Knochenbrüchen oder starken und beeinträchtigenden Verbiegungen hat es sich bewährt, sogenannte Teleskopnägel in die Knochen einzusetzen. Diese Nägel aus zwei ineinandergeschobenen Teilen, die während des Wachstums auseinandergleiten und so den Knochen von innen schienen und stabilisieren. Nach Abschluss der Wachstumsphase ist eine Versorgung mit Teleskopnägeln nicht mehr nötig, die Behandlung kann dann mit Nägeln in gleichbleibender Länge erfolgen. Von einer Behandlung mit Metallplatten oder sogenannten Fixateuren sollte in der Regel abgesehen werden.
Welcher Nagel wann und für wen der richtige ist, müssen die Betroffenen in jedem Fall gemeinsam mit einem Orthopäden ihres Vertrauens entscheiden. Die allermeisten OI-Familien haben sich irgendwann für einen bestimmten, auf OI spezialisierten Orthopäden entschieden, mit dem sie ein langjähriges und vertrauensvolles Verhältnis verbindet.
Weitere Informationen finden Sie bei der Selbsthilfe-Webseite: https://glasknochen.at
Autorin: Veronika Lieber
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