Hämophilie & Von-Willebrand-Syndrom: Unterscheidung ist wichtig
Die beiden seltenen Erkrankungen weisen Ähnlichkeiten auf, aber eine exakte Diagnose, ob eine Hämophilie oder ein Von-Willebrand-Syndrom vorliegt, ist enorm wichtig für die Behandlung. Welche Unterscheidungen es gibt, und welche Therapien derzeit verfügbar sind, erklärt Univ.-Prof. Dr. Ingrid Pabinger-Fasching, Leiterin des Hämophiliezentrums in Wien.
Hämophilie und Von-Willebrand-Syndrom (VWS) – Was haben diese seltenen Erkrankungen gemeinsam?
Beide Erkrankungen führen zu einer Blutungsneigung, das Risiko einer Blutung ist damit erhöht. Die Krankheiten sind selten, dennoch gibt es bei beiden verschiedene Arten und Schweregrade. Es sind beides angeborene Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, sehr selten kann es (z.B. durch Antikörper) zu einer erworbenen Form kommen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die schweren Formen der beiden Krankheiten sich im frühen Kindesalter manifestieren. Bei den leichten Formen bleiben Hämophilie und Von-Willebrand-Syndrom häufig lange undiagnostiziert.
Worin liegen die Unterschiede bei diesen Erkrankungen?
Bei den schweren Formen sind die Unterschiede sehr gering. Bei den leichteren Formen gibt es mehr Unterschiede: von-Willebrand-Patienten haben bspw. häufiger Schleimhautblutungen, Nasen- und Zahnfleischblutungen. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Hämophilie (A und B) fast ausschließlich nur bei Männern vorkommt, während das von-Willebrand-Syndrom genauso Frauen betrifft.
Warum sind eine genaue Diagnose und eine Unterscheidung der Erkrankungen wichtig?
Weil die Behandlungen sehr unterschiedlich sind! Während bei der Hämophilie Faktor VIII oder Faktor IX Konzentrate benötigt werden, muss beim VWS ein Von-Willebrand-Faktor enthalten sein. Weiters müssen genau die Arten der Erkrankung unterschieden werden, da bspw. bei Hämophilie A die Therapie von Hämophilie B nicht wirkt.
Gibt es „Risikogruppen“ für die Erkrankungen?
Nein, von Risikogruppen kann man nicht sprechen, da es sich um eine genetische Erkrankung handelt. Aber beide Krankheiten kommen klarerweise eher bei Personen vor, bei denen bereits Fälle in der Familie bekannt sind. Die Erkrankungen treten auf der ganzen Welt weitgehend gleich häufig auf.
Gibt es für diese seltenen Erkrankungen ausreichend Therapien?
Ja, die Behandlungsmöglichkeiten sind sehr gut. Allerdings werden aktuell die Kosten für die neuesten Therapien, die wegen einer Verlängerung der Halbwertszeit seltener verabreicht werden können, von der Krankenkasse nicht bzw. nur sehr eingeschränkt übernommen, d.h. der Zugang ist, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, deutlich schwieriger. Ich hoffe, dass es hier bald eine Einigung gibt, damit auch österreichische Patienten Zugang zu den neuesten Therapien bekommen.
Wie funktionieren die Therapien bei Hämophilie und dem Von-Willebrand-Syndrom?
Weil dem Körper gewisse Faktoren fehlen, müssen diese substituiert (ersetzt) werden. So wird bspw. bei der Hämophilie der Faktor VIII oder IX mit einem Konzentrat zugeführt. Die meisten PatientInnen bzw. deren Eltern können diese Medikamente zu Hause selber spritzen, manche gehen dennoch 1-2 Mal in der Woche zum Arzt oder ins Krankenhaus. Nachdem die Therapie bei jedem Patienten sehr unterschiedlich lange anhält (bei manchen 8 Stunden, bei anderen 20 Stunden), müssen manche das Konzentrat öfter injizieren als andere.
Wie beurteilen Sie die Lebensqualität von Patienten?
Die Lebensqualität durch die Substitutionstherapie hat sich sehr verbessert. Bei Kindern und manchmal auch bei Erwachsenen sind die Injektionen schwierig, da 3-4 Mal pro Woche gestochen werden muss. Das tut weh und damit ist auch die Lebensqualität beeinträchtig. Hier könnten die Medikamente mit längerer Halbwertszeit eine Besserung bringen. Für Hämophilie-Patienten gibt es auch ein neues Subkutan-Medikament, das zurzeit aber nur eingeschränkt erstattet wird. Dieses würde durch die leichtere Verabreichung die Lebensqualität verbessern. Bei vielen Patienten, nicht nur im höheren Alter, kommt es aufgrund der Gelenksblutungen zu beträchtlichen körperlichen Beeinträchtigungen, manche sind dann sogar auf den Rollstuhl angewiesen. Auch bei jüngeren ist manchmal ein Knie- oder Hüftgelenksersatz notwendig, besonders, wenn Sie in Ihrer Jugend in anderen Ländern keine ausreichende Therapie erhalten konnten.
Wo sehen Sie noch Verbesserungspotential?
Wenn ich 20-30 Jahre zurückblicke, dann sind wir heute schon in einer deutlich verbesserten Lage. Auch die Lebenserwartung ist heute beinahe auf normalem Niveau. Aber – trotz einer vorbeugenden Therapie haben manche Patienten immer noch in jungen Jahren schwere Gelenksprobleme. Wir müssen daher Blutungen noch effektiver verhindern. Und das geht wohl nur mit verbesserten Therapien. Die Kostenerstattung für diese neuen Therapien und generell eine personalisierte Anwendung der Therapien wären sehr wichtig für die Zukunft unserer Patienten.
Autorin: Isabella Auer
Bilder: Adobe Stock | ZVG