EUPATI – Patienten-Involvement in F&E

EUPATI, die europäische Patientenakademie zu therapeutischen Innovationen, ist ein weltweit einzigartiges Fortbildungsangebot für Patientenvertreter, die sich aktiv in den Forschungs- und Entwicklungsprozess von Arzneimitteln einbringen möchten.

 

Claas Röhl

Ing. Claas Röhl,

Obmann der NF Kinder Austria

Herr Röhl, was genau ist die EUPATI?


EUPATI startete 2012 als EU gefördertes und von Patienten geleitetes IMI (Innovative Medicines Initiative) Projekt. Das Ziel von EUPATI ist es Patienten das notwendige  Wissen zu vermitteln, damit diese in ihrem Krankheitsbild eine Expertenrolle einnehmen und die Interessen der Patientengruppe im Forschungs- und Entwicklungsprozess vertreten können.


Über mehrere Jahre hinweg entwickelten Arbeitsgruppen, die sich aus allen relevanten Stakeholder (Forschern, Vertretern der Pharmaindustrie, Regulationsbehörden, etc.) zusammensetzen die Materialien der EUPATI Toolbox und des EUPATI Patientenexperten-Trainings. So entstanden weltweit einzigartige Fortbildungsmaterialien, die nun Patientenvertretern frei zugänglich sind.


Wie sieht diese Fortbildung aus?


Interessenten können auf https://www.eupati.eu die sogenannte EUPATI Toolbox abrufen. Dort finden sich Artikel, Erklärungsvideos, Präsentationsvorlagen, Fact Sheets und vieles mehr, nach Themen filterbar oder per Stichwortsuche abrufbar. Die Informationen sind mittlerweile in sieben Sprachen, darunter auch Deutsch, verfügbar. Im Eigenstudium kann man sein Wissen zum Thema Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln erweitern. Alle Informationen sind frei zugänglich und im Rahmen einer Creative Common License auch weiterverwendbar.

 

Darüber hinaus gibt das 14-monatige Patientenexperten-Training. Dabei handelt es sich um einen Mix aus E-Learning, das am eigenen Computer über eine Lernsoftware erfolgt und zwei jeweils 5-tägige Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht. Es werden sechs Module durchgemacht, die alle mit einem Multiple-Choice-Test positiv abgeschlossen werden müssen.


Gibt es irgendwelche Besonderheiten die bei der Teilnahme zu beachten sind?


Die Unterrichtssprache ist Englisch. Alle Patientenvertreter aus Europa mit guten Englischkenntnissen, die genug Zeit und Energie mitbringen können sich für ein Stipendium bewerben. Reisekosten zu den Lehrveranstaltungen sowie die Unterbringung werden übernommen. Bis zum 31.3.2017 kann man sich unter folgendem Link bewerben: https://www.eupati.eu/third-cycle-apply-now/


Können Sie uns von Ihren persönlichen Erfahrungen erzählen?


Ich selbst habe als erster österreichischer Teilnehmer das EUPATI Patientenexperten-Training absolviert. Mindestens 300 Lernstunden und zwei 5-tägige Aufenthalte im Rahmen der Lehrveranstaltungen in Barcelona habe ich an Zeitaufwand darin investiert, um mir neue Fähigkeiten anzueignen, die es mir ermöglichen in den Forschungsprozess involviert zu sein.

 

Besonders profitiert habe ich von den Möglichkeiten mich während der Lehrveranstaltungen mit meinen StudienkollegInnen auszutauschen und von ihnen zu lernen. Das Kursmaterial ist sehr umfangreich, aber inhaltlich exzellent und sehr gut aufgebaut. Als Patientenvertreter von Menschen mit Neurofibromatose in Österreich war es mir ein großes Anliegen diese Fortbildung zu absolvieren. Wie bei so vielen seltenen Erkrankungen gibt es auch für Neurofibromatose keinen einzigen zugelassenen Wirkstoff und nicht selten laufen die Forschungsbemühungen an den eigentlichen Interessen und Bedürfnissen der Patienten vorbei.

 

Nach dem Kurs bin ich nun bei der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) als Patientenexperte für Neurofibromatose gelistet und kann im Falle einer Bewertung eines eingereichten Wirkstoffes als Berater hinzugezogen werden. Ich bin mittlerweile mit den führenden Forschern auf dem Gebiet der Neurofibromatose aus Europa und den USA sehr gut vernetzt und im regen Austausch. Ebenfalls wurde ich eingeladen als Vorstandsmitglied in dem europäischen Referenznetzwerk GENTURIS (Genetic Tumor Risk Syndromes) als Patientenvertreter mitzuarbeiten. Dieses Netzwerk hat einen Fokus auf Neurofibromatose, aber auch anderen genetisch bedingten Tumor-Risiko-Erkrankungen, wie zum Beispiel genetisch bedingter Brustkrebs.

Wie auch viele andere Kursteilnehmer habe ich sehr von den Lernerfahrungen profitiert und konnte auch auf europäischer Ebene unter den Patientenorganisationen eine Führungsrolle einnehmen.

 

Derzeit bin ich mit dem Aufbau eines europäischen Dachverbandes für Neurofibromatose-Patientenorganisationen beauftragt. Unser Ziel ist es mit einer einheitlichen Strategie Aufmerksamkeit und Spendengelder zu generieren, um diese gemeinsam für europäische Forschungsprojekte einzusetzen. Projekte, die von uns Patienten ausgewählt und mit erarbeitet wurden und die das Ziel haben die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.


Wie sieht es mit der EUPATI in Österreich aus?


In Österreich haben wir 2016 den gemeinnützigen Verein EUPATI Austria gegründet. Wir möchten zu ausgewählten Schwerpunktthemen Lehrveranstaltungen in deutscher Sprache anbieten, um so auch jenen Patientenvertretern den Wissenserwerb zu ermöglichen, die aufgrund der Sprachbarriere nicht an dem Patientenexperten-Training teilnehmen können. Dazu sind wir Partnerschaften mit OKIDS und AGES eingegangen, die uns bei der Durchführung dieser Lehrveranstaltungen unterstützen.

 

Niemand weiß besser über die Bedürfnisse der Patienten Bescheid, als die Patienten selbst. Niemand weiß daher besser, welche Schwerpunkte es in der Arzneimittelforschung zu setzen gilt. Deswegen ist es unser Ziel in Zukunft viele gut ausgebildete Patientenvertreter in Österreich zu haben, die der akademischen Forschung, der pharmazeutischen Industrie, aber auch Ethik-Kommissionen und den Regulationsbehörden und HTAs als gleichwertige Partner zur Verfügung stehen.

 

Autor: Ing. Claas Röhl
Bilder: ZVG | Fotolia

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