ADPKD: Versorgung und Betreuung in Österreich

ADPKD (autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung) ist unter den seltenen Nierenkrankheiten die häufigste. Doch wie steht es in Österreich um Betreuung und Versorgung von Betroffenen? Wir sprachen mit OÄ Dr. Ursula Lang von der Klinik Ottakring (vormals Wilhelminenspital) und Claus Pohnitzer, Obmann der Selbsthilfe Niere.

 

OA Dr. Ursula Lang

OÄ Dr. Ursula Lang

leitet die Nephrologie-Ambulanz

an der Klinik Ottakring.

Frau OÄ Dr. Lang, bei einem Anfangsverdacht auf eine Nierenerkrankung, möglicherweise ADPKD, wann ist hier eine Überweisung zum Nephrologen sinnvoll?

Generell sollte eine Vorstellung beim Nephrologen erfolgen, wenn eine signifikante (=bedeutsame) Eiweißausscheidung im Harn und/oder Blut im Harn und/oder eine Einschränkung der Nierenfunktion besteht. In der Folge werde ich mich nur mehr auf ADPKD Patienten beziehen.

 

ADPKD-Patienten haben oft eine positive Familienanamnese, sie sind manchmal bereits in der zweiten oder dritten Generation von Nierenkranken, somit sehen wir Nephrologen einige Patienten früher. Oft führen blutiger Harn oder Schmerzen oder ein Infekt den Patienten zum Urologen. Wir wünschen uns eine rasche Überweisung zum Nephrologen - in jedem Fall bei Diagnosestellung - um einen Status quo zu erheben da wir die Prognose wesentlich beeinflussen können, die Erkrankung verläuft nicht mehr schicksalshaft. Neben einer optimalen Blutdruckteinstellung gibt es seit 2015 eine zugelassene medikamentöse Behandlung.

 

In der Klinik Ottakring werden Termine nach Dringlichkeit nach telefonischer Voranmeldung vergeben. Bei dieser Erstbegutachtung werden allgemeine Verhaltensregeln besprochen, was ist zu tun im Falle einer Blutung oder eines Infektes? – nicht abwarten, sondern rasch einen Arzt aufsuchen.

Wir empfehlen diesen Patienten viel zu trinken. Wir besprechen die Wichtigkeit einer optimalen Blutdrucktherapie. Als weitere Diagnostik werden Nierenlänge im Ultraschall (als Richtwert) oder MR der Nieren für ein Nierenvolumen – diese Messung ist nur in wenigen Röntgeninstituten möglich –  von uns veranlasst, sinnlose Untersuchungen sollen vermieden werden. Daraus ergibt sich das weitere Vorgehen mit Beobachten oder Einleiten einer Therapie. Meist ist eine adäquate Blutdrucktherapie erforderlich.

 

Claus Pohnitzer

Claus Pohnitzer ist

Obmann der Selbsthilfe Niere.

Herr Pohnitzer, wie sehen Sie das aus Patientensicht? Was passiert bis zur Überweisung zum Nephrologen?

Der überwiegende Teil von Nierenerkrankungen wird zufällig oder zu spät erkannt. Je nach Nierenerkrankung sind die ersten Anzeichen, die der Patient spürt wahrscheinlich eher unauffällig. Häufig geben erst bestimmte Blutwerte nach einer Untersuchung (Gesundenuntersuchung, Vorsorgeuntersuchungen, Routinecheck, etc.) Hinweise darauf, dass mit den Nieren etwas nicht stimmt. Daher versuchen wir als Patientenorganisation gemeinsam mit der Ärzteschaft schon seit Jahren essentielle Nierenparameter in Routineuntersuchungen aufnehmen zu lassen. Bei Zystennieren (wie auch bei anderen Nierenkrankheiten) ist meist der Blutdruck das erste für den Betroffenen erkennbare und messbare Anzeichen für eine Erkrankung. Die Ursache dafür sollte unbedingt abgeklärt werden. Eine genaue Diagnose muss unbedingt durch einen Facharzt (Nephrologen) erfolgen.

 

Wenn bei Patienten noch keine Zystennieren-Erkrankungen bereits in der Familie bekannt sind (also keine erbliche Vorbelastung) dauert es oft zu lange (manchmal Jahre), bevor PatientInnen ohne richtige Diagnose leiden müssen, bevor der Weg zu einem Nephrologen erfolgt. (Daher sollte der Patient in begründeten Fällen selber die Initiative ergreifen und den Hausarzt und eine Überweisung an einen Facharzt bitten.)

Das erlebe ich leider selbst immer wieder in unserer Arbeit. Wir unterstützen dann in der Kontaktaufnahme und Suche nach den geografisch nächstgelegenen Spezialistinnen oder Spezialisten wie Frau OÄ Dr. Lang.

 

Frau OÄ Dr. Lang, welche Therapien stehen ADPKD-PatientInnen zur Verfügung? Wann ist welche Therapie sinnvoll?

Eine optimale Blutdruckeinstellung ist sicher nötig, vorzugsweise mit ACEI oder Sartanen – bei eingeschränkter Nierenfunktion bedarf diese Therapie einer regelmäßigen Kontrolle (Kreatinin, Kalium, Natrium). Außerdem ist eine Reduktion eines eventuellen Übergewichtes anzustreben, wir empfehlen „low Carb“.

Patienten mit dieser Nierenveränderung sollen viel trinken und – nicht evidenzbasiert – Koffein eher reduzieren (Jugendliche auch Energy Drinks).

Tolvaptan kann bei Indikation gegeben werden. Diese wird mit der Nierenfunktion und dem im MR gemessenen Nierenvolumen ermittelt (sog. MAYO Classification). Die Therapie bedingt, dass der Patient sehr viel trinken und urinieren muss, was in den Lebensrhythmus des Patienten passen muss. Er muss hochmotiviert und verlässlich sein. Diese Therapie kann in einer Spezialambulanz begonnen werden, Kontrollen finden alle 4 Wochen für die ersten 18 Monate statt, danach alle 3 Monate.

 

Herr Pohnitzer, wie empfindet der/die Betroffene die ersten Untersuchungen bzw. die Zeit bis zur Diagnose?

Die Untersuchungen selbst sind ja heutzutage mit Ausnahme eines Stiches bei der Blutabnahme weder schmerzhaft noch sehr unangenehm. Schwieriger ist es für die Betroffenen und ihre Familien mit der Diagnose umzugehen und weiter nach vorne zu sehen. Hier hilft nur das umfassende Angebot an Informationen, Erfahrungsaustausch und in vielen Fällen auch nur Zeit.

 

Sind die Therapien aus Patientinnen-Sicht ausreichend?

Es ist bei der ADPKD eine deutliche Verbesserung vorhanden, da es früher keine medikamentöse Therapie gab. Die seltenen Nierenerkrankungen erhalten wieder mehr Aufmerksamkeit bei den Patienten und den Ärzten. Natürlich will man als Patient immer eine Heilung erreichen, was bei dieser Erkrankung leider nicht möglich ist. Der Beginn einer rechtzeitigen medikamentösen Therapie ist ein guter erster Ansatz und wir als Patientenorganisation würden uns weitere Therapiemöglichkeiten und Therapiefortschritte wünschen. Die Wahrnehmung als Patient ist, dass man häufig eine Besserung von 50% spürt, dafür aber 10% Nebenwirkungen in Kauf nehmen muss. Trotzdem schaffen die Therapien Verbesserung, was natürlich ein wichtiger Schritt ist. Die Nebenwirkungen begleiten einen täglich, den Nutzen kann man leider erst über Jahre und Jahrzehnte ablesen.

 

Dennoch hoffe ich, dass weitergeforscht und Therapien so verbessert werden, dass nicht nur die Dialysepflicht und Transplantation hinausgezögert, sondern auch mehr Linderung geschaffen wird.

 

Frau OÄ Dr. Lang, wie lange kann die Therapie erfolgen? Wann ist eine Transplantation notwendig?

Die Therapie mit Tolvaptan ist eine Langzeittherapie. Eine Transplantation ist natürlich möglich. In diesem Fall wird das Medikament aus meiner Sicht abgesetzt (Volumenmanagement nach Transplantation, Interaktion mit manchen Immunsuppressiva).

 

Wie oft sollte ein/e PatientIn mit Nierenerkrankung zum Nephrologen?

Das ist abhängig vom Ausmaß der Nierenfunktionseinschränkung bzw. von der Art der Nierenerkrankung und deren Verlauf. Es gibt Empfehlungen der ÖGN. Allerdings kann der Nephrologe entscheiden, ob die Kontrollintervalle beim Nephrologen verlängert werden können, wenn ein Patient wegen seiner Co-Mobilität bei anderen Internisten (Kardiologen, Onkologen) in engmaschigeren Kontrolle steht und somit Synergien genützt werden. Auch sind Zwischenkontrollen beim Hausarzt möglich – sorgsamer Umgang mit der Zeit des Patienten. Hat der Patient eine medikamentöse Therapie, muss er alle 4 Wochen für die ersten 18 Monate verlässlich zur Kontrolle kommen.

 

Herr Pohnitzer, wie oft geht ein/e PatientIn tatsächlich zum Nephrologen?

Wie Frau OÄ Dr. Lang dies schon gesagt hat, liegt das sehr stark daran, wie sehr eine Erkrankung bereits fortgeschritten, bzw. wie eingeschränkt man ist. Liegen keine Beschwerden vor, ist das Intervall – je nach Absprache mit den behandelnden Ärzten –  mit einmal jährlich bzw. einmal halbjährlich sicher auch passend.

 

Frau OÄ Dr. Lang, was wünscht sich die behandelnde Ärztin von PatientInnen?

Zur Terminvereinbarung bitte eine Formulierung des Problems durch den zuweisenden Arzt oder den Patienten (nicht: „Begutachtung erbeten“) um zu entscheiden, ob ein akutes Problem vorliegt (rascher Termin) oder eine chronisch fortschreitende Veränderung bzw. eine langsame Verschlechterung der Nierenfunktion (elektiver Termin). 

 

Zur Erstvorstellung wünschen wir uns, dass alle Vorbefunde mitgebracht werden – die Nephrologen sehen sich als Ganzheitsmediziner – vor allem an Laborbefunde/Kreatininverlauf denken. Eine ausführliche Anamnese/Liste der Vorerkrankungen ist für Arzt und Patient sehr hilfreich und zeitsparend. Es sollen aktuelle Laborbefunde sowie ein Ultraschall der Nieren und der Leber (ev. Zysten) vorliegen.

 

Im Verlauf: Eine gute Zusammenarbeit und Verlässlichkeit auf beiden Seiten sowie offene Gespräche sind eine gute Basis. Termine sollen eingehalten oder rechtzeitig verschoben werden, da diesen elektiven Termin ein anderer Patient haben könnte. Bei Problemen wie z.B. Infekten oder Blutungen sollte der Patient früh mit dem Zentrum Kontakt aufnehmen und nicht zu Hause warten. Dies heißt ja nicht, dass der Patient im Spital bleiben muss – ganz im Gegenteil kann vieles ambulant diagnostiziert und therapiert werden. Bei Infekten z.B. ist eine Harnkultur vor Antibiotika sehr wichtig.

Wünschenswert ist eine Akzeptanz, dass viele Untersuchungen im niedergelassenen Bereich erfolgen (Laboruntersuchungen, Herzultraschall, Bauch-Ultraschall, urologische Begutachtung usw.). Bei nicht-nephrologischen Problemen bleibt der Hausarzt der erste Ansprechpartner.

 

Herr Pohnitzer, abschließend – was wünscht sich ein Patient von den behandelnden Ärzten?

Kürzere Warte- sowie Behandlungszeiten! Und als Patient wünscht man sich auch, dass Ärzte sich mehr Zeit für einen selbst sowie für Angehörige nehmen können. Wenn man eine Diagnose wie ADPKD erhält, dann ist dies für viele Menschen erstmal ein Schock. Manche können damit nicht umgehen, da ist eine Begleitung dringend notwendig. Diese Begleitung muss beim Arzt anfangen, allerdings fehlt hier eben oft die Zeit. Auch die richtigen Informationen sind zu Beginn oft zu wenig. Daher gibt es uns als PatientInnen-Begleiter. Wir haben die Erfahrung, da wir selber einmal in der Situation standen und wissen, wie man sich fühlt. Wir freuen uns daher, wenn Patientinnen und Patienten den Kontakt zu uns suchen!

 

Weitere Informationen zu ADPKD finden Sie auf der Website www.zystenniere.at sowie die Selbsthilfe Niere unter www.argeniere.at.

 

Autor: Stefan Weiss
Bilder: Adobe | ZVG | Dominik Duhs

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